Roger Waters: Vom Rockstar und Pink-Floyd-Gründer zur unerwünschten Person

Roger Waters stand immer für seine Überzeugungen ein. In den vergangenen Jahren wurden sie immer umstrittener – zum Beispiel die zu Israel und zur Ukraine.

Roger Waters während eines Konzerts in Moskau im Jahr 2011
Roger Waters während eines Konzerts in Moskau im Jahr 2011Russian Look/imago

Pink-Floyd-Gründer Roger Waters steht derzeit stark in der Kritik: Ein Termin seiner aktuellen Tour in Krakau wurde bereits abgesagt, und auch in deutschen Großstädten wie Berlin, Köln oder Frankfurt fordern jüdische Organisationen oder lokale Politiker die Absage seiner Konzerte. Der Vorwurf: Der 79-Jährige sei Antisemit und „putintreu“. Was ist dran an den Vorwürfen, und wann wurde Roger Waters vom genialen Musiker zum streitbaren politischen Aktivisten?

Ein streitbarer Geist und politischer Mensch war Roger Waters immer. Schon im Meisterwerk „The Dark Side of the Moon“, das im März dieses Jahres 50 Jahre alt wird und für das er alle Texte schrieb, ging es neben dem Drama der menschlichen Existenz und ihrer Endlichkeit („Time“) um die Ursachen für militärische Konflikte, die Gier nach Macht und Geld („Money“), um den Wahnsinn, dem Menschen aus unterschiedlichen Gründen verfallen können.

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Die finale Demütigung

Dass er sich in seinem Werk immer wieder Krieg und Frieden widmet, hat er quasi in die Wiege gelegt bekommen: Sein Vater, der 1914 geborenen Eric Fletcher Waters, der während des Zweiten Weltkriegs zum Pazifisten wurde, starb 1944 bei einer Schlacht in Italien. Roger Waters war da noch kein halbes Jahr alt. Bis heute hält er das Andenken an seinen Vater aufrecht und sieht seinen politischen Aktivismus vor allem als ein Engagement für den Frieden. Allerdings hat er damit schon erstaunlich viel Unfrieden gestiftet.

Nachdem 1968 der Sänger und Songschreiber Syd Barrett bei Pink Floyd ausstieg, weil er eine Psychose entwickelt hatte und von den Drogen nicht mehr loskam, sah sich Roger Waters mehr und mehr als das alleinige künstlerische Mastermind. Die Rockoper „The Wall“ von 1979 basiert auf seinem Konzept, sie wurde fast alleine von ihm getextet und komponiert.

Obwohl es bei den Aufnahmen schon rumorte, nahmen Pink Floyd 1983 noch einen Nachfolger auf: „The Final Cut – A Requiem for the Post War Dream“, bei dessen Produktion Roger Waters die verbliebenen Bandmitglieder David Gilmour und Nick Mason wie Studiomusiker behandelte. Auf dem Albumcover steht unter dem Titel: „by Roger Waters, performed by Pink Floyd“ – die finale Demütigung.

„Keinen dunklen Sarkasmus im Klassenraum“

Dass Pink Floyd ohne ihn weitermachten und in den späteren 1980er-Jahren wesentlich erfolgreicher tourten als er selbst, muss Waters gewurmt haben. 1990 schaute die Welt jedoch vor allem auf ihn: Waters hatte sich die Aufführungsrechte für „The Wall“ gesichert und reagierte mit einer gigantischen Aufführung vor rund 250.000 Zuschauern im damaligen Niemandsland zwischen dem Potsdamer Platz und dem Brandenburger Tor auf den Fall der Berliner Mauer.

Das „The Wall“-Spektakel am Potsdamer Platz
Das „The Wall“-Spektakel am Potsdamer PlatzBricani/imago

Damals bewies eine beeindruckende Liste von musikalischen Promis, dass alle sich auf die politische Botschaft des ehemaligen Pink-Floyd-Bassisten einigen konnten: Van Morrison, Joni Mitchell, Cindy Lauper, Bryan Adams, The Band, die Scorpions, Sinéad O'Connor und etliche andere wirkten mit. Die Bilder gingen um die Welt, die Botschaft war eine des Friedens: Nie wieder Krieg! Alle Menschen sind Brüder und Schwestern! Und natürlich: „Keinen scharfen Sarkasmus im Klassenraum“ (im Hit „Another Brick in the Wall“).

„The Wall“ in Newe Shalom

Auch als es 2005 zu einer überraschenden Wiedervereinigung von Pink Floyd kam, wurde über Roger Waters noch nicht so kontrovers diskutiert wie heute: Die Band spielte für das weltumspannende Konzertereignis „Live 8“, mit dem eine gewaltige Riege von Stars einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt forderte.

In andere Fahrwasser geriet Waters ein Jahr später: Er ließ sich von palästinensischen Aktivisten, aber wohl auch britischen Fans dazu bewegen, eine eigentlich in Tel Aviv geplante Aufführung von „The Wall“ auf ein Feld nahe der von Juden, christlichen Arabern und Moslems bewohnten Ortschaft Newe Shalom zu verlegen, und rief beim Konzert dazu auf, die Sperranlage im Westjordanland niederzureißen.

Die heutige Generation israelischer Bürger müsse „die Mauern einreißen und Frieden mit ihren Nachbarn schließen“, forderte er und sagte über die Anlage, der Anblick erfülle ihn mit Grauen.

Der Musiker wollte auf die Gefahr von Ideologien aufmerksam machen

Das Ereignis initiierte sein nachhaltiges Engagement im Nahostkonflikt. Roger Waters ist seit dieser Zeit einer der prominentesten und engagiertesten Unterstützer der Kampagne „Boykott, Devestitionen und Sanktionen“ (BDS) gegen Israel. Unter anderem schreibt er Briefe an andere Künstler und fordert sie auf, nicht in Israel aufzutreten. Eines seiner Argumente lautet: In Israel zu spielen wäre moralisch gleichwertig mit einem Auftritt in Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Stevie Wonder sagte 2012 auch auf Waters’ Drängen hin einen Auftritt im Land ab.

Ab 2011 ging Roger Waters wieder mit einer großen „The Wall“-Show auf Stadiontour, 2017 folgte eine Solotournee. Bestandteil war immer, dass er in Zwischenansagen die Politik des Staates Israel anprangerte: Auch dort dürfe sich eine Gruppe Menschen nicht über eine andere stellen, ihnen die Menschenrechte nehmen.

Eine große Diskussion entfachte das Bild des fliegenden Schweins, das Waters und Pink Floyd seit dem Album „Animals“ von 1977 als Gimmick nutzen, auf das ein Davidstern projiziert war. Allerdings stand er neben anderen Symbolen wie dem christlichen Kreuz, dem islamischen Halbmond, Hammer und Sichel, dem Dollar- oder McDonald’s-Zeichen. Der Musiker wollte auf die gefährliche Kraft von Ideologien aufmerksam machen.

1300 Menschen protestierten schriftlich gegen Roger Waters in Deutschland

Gerade in den vergangenen Jahren scheint Roger Waters sich allerdings radikalisiert zu haben. Im Zusammenhang mit Israel spricht er offen von „Apartheid“ und „Völkermord“, was ihm den Vorwurf einbringt, das Existenzrecht des Staates Israel in Frage zu stellen, ein Antisemit zu sein. 2017 beendete deshalb der Westdeutsche Rundfunk (WDR) eine Kooperation, mit der ein Auftritt seiner Solo-Tour „Us+Them“ beworben wurde. 1300 Menschen unterzeichneten damals eine entsprechende Online-Petition.

San Francisco: Roger Waters steht bei einem Auftritt in Kalifornien auf der Bühne.
San Francisco: Roger Waters steht bei einem Auftritt in Kalifornien auf der Bühne.Zuma Wire/imago

Bisweilen wird seine Israelkritik fast surreal: Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd, der weltweit Proteste hervorrief, beschuldigte er Israel 2020, dafür mitverantwortlich zu sein: Amerikas „militarisierte Polizei“ habe tödliche Praktiken wie das Luftabdrücken durch das Knien auf dem Opfer von der israelischen Armee gelernt. Später nahm er diese Aussagen teilweise zurück.

Kritik am Westen und an der Nato

Aktuell begibt er sich auf ein weiteres schwieriges Feld: Nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine schrieb er zwar einen offenen Brief an Putin und nannte den überfallartigen Kriegsbeginn den „Akt eines Gangsters“. 2014 schon hatte er öffentlich das Performance-Kollektiv Pussy Riot ermutigt, sich gegen das „Regime Putin“ zu stellen. In einem offenen Brief forderte er Putin im vergangenen Jahr auf: „Zurück an den Verhandlungstisch“ und fragte: „Wenn ich Ihre bisherigen Reden richtig gelesen habe, würden Sie gerne einen Neutralitätszustand für eine souveräne, benachbarte Ukraine aushandeln? Ist das korrekt? Angenommen, ein solcher Frieden könnte ausgehandelt werden, müsste er eine absolut verbindliche Vereinbarung enthalten, nie wieder in irgendjemandes Gebiet einzudringen.“

<b>Mit nachdenklicher Mine: Roger Waters, fotografiert in Italien.</b>
Mit nachdenklicher Mine: Roger Waters, fotografiert in Italien.Giuseppe Maffia/imago

In einem offenen Brief an Olena Selenska im September 2022 schrieb Waters, dass ihr Ehemann sein Versprechen gebrochen habe, Frieden in die Ukraine zu bringen und die Minsk-2-Vertragsinhalte durchzusetzen. Er sei von nationalistischen Kräften in seinen Bemühungen überstimmt worden. Die NZZ nannte den Brief einen weiteren verstörenden Akt in einer „Reihe politischer Peinlichkeiten“.

Nach und nach verschob sich Waters’ Engagement in Richtung Kritik westlicher Politik. Er gab der Nato die Schuld am russischen Überfall und sagte, der amerikanische Präsident Joe Biden schüre das Feuer in Osteuropa, und das sei ein großes Verbrechen. Wenn Biden wolle, sei „der Krieg morgen beendet“. Zuspruch bekam er vom ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. In den Rat der Stadt Krakau wurde hingegen eine Resolution eingebracht, Waters zur persona non grata zu erklären, sein Konzert in der Stadt abgesagt. Laut seines Managers darf Roger Water auch in anderen Städten Polens nicht mehr auftreten. Nun wird sich zeigen, ob in Deutschland Ähnliches geschieht – und wenn nicht, für welche politischen Botschaften Roger Waters seine Auftritte diesmal nutzen wird.

Roger Waters tritt mit seiner „This Is Not A Drill Tour“ am 17. und 18. Mai 2023 in Berlin auf. Am 7. Mai spielt er in Hamburg, am 9. Mai in Köln, am 21. Mai in München und am 28. Mai in Frankfurt.

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